Der Darrois Bericht: Der französische Rechtsanwalt, Berufungsanwalt und Notar in der Zukunft: von Herrn Matthias Hamai, Sciences Po - Student Nancy deutsch - französische Abteilung Recht
Einleitung:
Französischer Rechtsanwalt (Avocat) und französischer Berufungsanwalt (Avoué) sind nach wie vor sehr verschiedene Berufe.
Nur der Rechtsanwalt arbeitet selbständig und bedarf in Berufungssachen der Einschaltung des Avoués - noch. Denn nach den Conseillers juridiques, die Anwalt werden durften, wird nun auch der Berufsstand der Avoués in jenem der französischen Rechtsanwälte aufgehen. Folglich wird bald auch ein französischer Rechtsanwalt selbst Berufungsverfahren führen können, anstatt dort nur plädieren zu dürfen (in Deutschland längst eine Selbstverständlichkeit).
Es war auch im Gespräch, die Territorialzulassung zu beseitigen. Nach aktuellem Stand muss der französische Rechtsanwalt in echten Zivilsachen, in denen das Landgericht und nicht das Handelsgericht zuständig ist,
einen dort zugelassenen Kollegen zwecks Abstempelns und Weiterreichung der gefertigten Schriftsätze beauftragen, was in Berufungssachen der Avoué vornahm.
Reicht er diese selbst bei einem Gericht ein, bei dem er nicht zugelassen ist, bleiben sie unbeachtet. Folglich bedarf es in der Regel zweier Kollegen, was sich natürlich in den Kosten niederschlägt.
Gleiches gilt sinngemäß in Berufungsverfahren. Leider sind die urprünglichen Pläne, die Postulationsfähigkeit nicht mehr auf die beim örtlichen Landgericht zugelasseenen Kollegen zu beschränken, wieder vom Tisch und die Berufungsgerichtshöfe betreffend ist keine andere Regelung zu erwarten.
Auch ist nicht mehr viel vom angestrebten neuen großen einheitlichen Beruf des Juristen zu hören, der französische Rechtsanwälte, Berufungsanwälte und Notare in einem einzigen Beruf zusammenfassen sollte und französischen Kollegen möglicherweise erlaubt hätte, zugleich den Notars- wie den Rechtsanwaltsberuf auszuüben. Auch wird es immel leiser um die Forderung, einen "Anwaltsakt" zu kreieren, eine anwaltliche Beurkundung, die in bestimmten Fällen Notaren vorbehaltene Sachkreise durch vereinfachte anwaltliche Beurkundung zu ermöglichen.
Zum aktuellen Stand des diesbezüglichen Darroisberichtes nachfolgend eine Zusammenfassung von Herrn Hamai:
DER „DARROIS-BERICHT“: EIN BERICHT ZUR REFORM DER JURISTISCHEN
BERUFE IN FRANKREICH
Seit der Wahl Nicolas Sarkozys zum französischen Präsidenten im Mai 2007, ist in Frankreich
ein starker Druck auf Veränderungen und Reformen im Justizwesen entstanden. Manche nennen es
notwendige Reformen, andere die Gleichschaltung der Justiz.
So können als Beispiele das Reformprojekt zum Vertragsrecht genannt werden, aber auch den
Bericht des „Léger-Ausschusses“ zur Reform des Strafrechts, der unter anderem die sehr umstrittene
Maßnahme beinhaltet, den französischen Ermittlungsrichter durch einen „Richter der Ermittlungen“
zu ersetzen.
In diesem Drang nach Veränderungen, hat Nicolas Sarkozy den französischen
Wirtschaftsanwalt Jean-Michel Darrois damit beauftragt eine Ausschuss zu leiten, der Vorschläge
unterbreiten sollte, um einen „einzigen, großen, juristischen Beruf“ zu gründen.
Jean-Michel Darrois ist einer der wichtigsten und mächtigsten, wenn nicht der wichtigste und
mächtigste, französische Wirtschaftsanwalt. Er leitet die Kanzlei Darrois Villey Maillot Brochier, welche
unter anderem Gaz de France bei der Vereinigung mit Suez, aber auch Total Fina, Sanofi und Nestlé
bei den Übernahmen von Elf, Aventis und Perrier beraten hat. Im Jahr 2006 machte die Kanzlei einen
Umsatz von 42 Millionen Euro.
Diesem mächtigen Anwalt also wurde die Leitung eines Ausschusses anvertraut, wie dies seit
dem Amtsantritt Nicolas Sarkozys sehr oft der Fall war: der „Attali-Ausschuss“ über die Freisetzung
der Wachstumskräfte, der „Balladur-Ausschuss“ über die Reform der französischen Verfassung, der
„Védrine-Ausschuss“ über den Platz Frankreichs in der Globalisierung und in der Welt oder der schon
erwähnte „Léger-Ausschuss“ über die Reform des Strafrechts. Diese Ausschüsse haben den Auftrag,
einem so genannten Auftragsbrief treu bleibend, Vorschläge zu unterbreiten, die eine Reform
ermöglichen und umsetzen sollen. Die Berichte dieser Ausschüsse dienen dann dem Gesetzgeber in
den Ministerien als Grundlage für die Gesetzentwürfe.
In dem Auftragsbrief des Präsidenten an Jean-Michel Darrois gab es eine ganz klare
Anweisung: die Rahmenbedingungen für die Gründung eines „einzigen, großen, juristischen Berufes“
in Frankreich zu schaffen. Darrois wird sich nicht daran gehalten haben, da er die Idee dieses
„einzigen“ Berufes gleich anfangs in seinem Bericht verwirft.
Nichtsdestotrotz schlagen Darrois und sein Ausschuss in diesem Bericht sehr weitgehende
Reformen vor, die die juristischen Berufe in Frankreich zum Teil grundlegend verändern werden.
Dabei
stand die Kohärenz des Justizwesens im Mittelpunkt, was auch dazu beitragen soll, dem
Rechtsverbraucher die Justiz „lesbarer zu machen“.
Als eine Leitfrage zu dem Bericht könnte man sich fragen inwiefern der Bericht die juristischen
Berufe an sich, vor allem den des Anwalts, reformieren möchte, und so Verbesserungen für den
Rechtsverbraucher erreichen?
I. Ein „erneuerter“ Anwalt mit neuer Ausbildung für die juristischen Berufe:
Der ganze erste Teil des Berichts befasst sich spezifisch mit dem Anwaltsberuf und wie man
diesen reformieren könne, um das Justizwesen „effizienter“ zu machen.
Jean-Michel Darrois, von
Beruf her Anwalt, bevorzugt dann ohne Überraschungen eine Ausweitung der Kompetenzen der
Rechtsanwälte, die zu einer Stärkung des französischen Anwalts führen sollen.
Damit einher geht allerdings eine erneuerte Ausbildung, welche allerdings auch andere
juristische Berufe betrifft. So soll nicht nur die Grundausbildung verändert werden, unter anderem
durch die Gründung einer „Ecole des professionels du Droit“ („Schule der juristischen Berufe“),
sondern auch die Weiterbildung im Laufe des Berufslebens weitgehend einen neuen Schub bekommen.
Zunächst unterstützt der Ausschuss eine Reform und und nimmt diese als Anstoß für eine
weitergehende Reform: die Zusammenlegung des avoué und des Anwalts, welche schon seit 2008
beschlossene Sache ist. Nach der Zusammenlegung des „Rechtsberaters“ und des Anwalts 1990 wäre
dies also ein nächster Schritt in Richtung Kompetenzerweiterung der französischen Rechtsanwälte.
Der avoué kann als der „Anwalt der Berufung“ gesehen werden. Sobald ein Bürger sich dazu
entscheidet gegen ein Urteil eines erstinstanzlichen Zivilgerichtes (z.B. Tribunal de grande instance) Berufung einzulegen, müssen
er, oder sein Anwalt, sich an einen avoué wenden. Dieser ist dann dafür zuständig mit dem Gericht
bezüglich des Falles zu kommunizieren (also Unterlagen unterbreiten und erhalten), aber auch den
Bürger vor dem Berufungsgericht (Cour d'Appel) zu vertreten.
Das Justizministerium hat eine Statsitik für die Jahre 2003 bis 2006 veröffentlicht, die besagt
dass es in Frankreich 429 avoués gibt.
Am 9. Juli 2008 allerdings, wurde die Entscheidung bekanntgegeben, dass man die Funktion des
avoué abschaffen wolle und ihn mit dem Beruf des Anwalts fusionnieren wird.
Die Modalitäten und
Details der Abschaffung des Berufes wurden aber bis heute nicht klargestellt, und das Justizministerium
befindet sich immernoch in Verhandlungen mit den beiden Berufsständen.
Von dieser Reform ausgehend, fordert der Darrois-Ausschuss die Abschaffung des territorialen
Monopols der Postulation vor Gericht. In Frankreich darf man nur vor den Gerichten plädieren, die
zum Territorium der jeweiligen Anwaltskammer gehören. So darf ein Pariser Anwalt in reinen Zivilsachen beispielsweise
nicht in Marseille vor Gericht postulieren, dss heißt, Schriftsätze einreichen. Dies wäre alles verständlich, wäre das Recht in Frankreich nicht
auf dem ganzen Territorium – mit Ausnahme von Elsass-Mosel – identisch.
Deshalb analysiert der Ausschuss folgerichtig, dass es sich bei dem territorialen Monopol der
Postulation vor Gericht um ein identisches Privileg wie das der avoués handelt, welches die französische
Kultur des Korporatismus sehr gut widerspiegelt. Aus diesem Grunde möchte der Darrois-Ausschuss
diesen Privileg abschaffen.
Auch für den Verbraucher kann dies von Wichtigkeit sein da es verständlich ist, wenn ein
Mandant es lieber hat, dass der Anwalt, der sich von Anfang an um seinen Fall gekümmert hat, auch
den Mandanten komplett vor Gericht schriftsätzlich vertritt, also nicht nur n der mündlichen Verhandlung.
Ein weiterer Beruf, der dem des Anwalts integriert werden soll, ist der des „Conseil en
Propriété industrielle“ („Berater in Sachen gewerblichen Eigentums“, ähnlich dem Patentanwalt, aber nicht gleich), der seinem Mandanten
maßgeblich dabei berät, eventuelle Prozedere oder Entdeckungen patentieren zu lassen.
An dieser Fusion mehrerer juristischer Berufe, ist ein anderer Grundzug der Vorschläge des
Darrois-Ausschusses zu erkennen: den Willen eine bessere Kooperation zwischen den verschiedenen
Berufen zu unterstützen.
Die juristische Landschaft in Frankreich ist nämlich stark von einem Korporatismus geprägt,
der zuweilen zwischen Menschen, die sich eigentlich als Partner ansehen müssten, einen Bruch hat
enstehen lassen. So gab es bis in die frühen 90er beispielsweise die Anwälte, die avoués, die Anwälte bei
den Obersten Gerichten, die Unternehmensjuristen, die Rechtsberater, die Notare usw. welche
untereinander nur schlecht kooperieren, geschweige denn ein Zusammengehörigkeitsgefühl pflegen.
Es gibt seit jeher von mehreren Seiten den Druck diesen Korporatismus zu brechen. Nicht
zuletzt die sehr umstrittene Bolkestein-Richtlinie über Dienstleistungen und den Binnenmarkt hatte
diese Debatte erneut angefacht. Sie sah eine völlige Liberalisierung der Dienstleistungsberufe in der
Europäischen Union vor, welche offensichtlich im krassen Gegensatz zur korporatistischen Struktur
der juristischen Berufe in Frankreich stand.
Der Darrois-Ausschuss hat sich also auch zum Ziel gesetzt diesen Zusammenhalt und das
Zusammengehörigkeitsgefühl der verschiedenen juristischen Berufe zu stärken und so den
Korporatismus in Frankreich zu lockern. Ein Teil davon ist die Ausbildung derjenigen, die einen
juristischen Beruf ausüben, auf die später zurückgekommen wird.
Auch noch andere, sehr konkrete Maßnahmen, werden in dem Bericht des Darrois-Ausschusses
vorgeschlagen.
So beispielsweise die Tarifikation der Bezahlung eines Notars, wenn ein Anwalt sich
schon im Vorhinein mit der Sache beschäftigt hat.
Die Bezahlung der Arbeit des Notars wird bislang per Gesetz geregelt, um den gleichen Zugang
aller Rechtsratsuchenden garantieren zu können.
Nun gibt es in diesem Gesetz aber auch eine Vorschrift,
die besagt, dass die Bezahlung für den Notar die Gleiche ist, egal ob die Vertragsparteien den Vertrag
selber verfasst haben, oder dies der Notar tut.
Der Ausschuss Darrois hat dies kritisiert und fordert, dass die Arbeit eines anderen juristischen
Berufes gewürdigt werden sollte und so der Preis der Rechtsdienstleistungen gesenkt werde.
Beispielsweise, wenn ein Anwalt einen Vertrag für zwei Parteien verfasst, so ist die Arbeit des Notars
auf die Authentifizierung beschränkt und er sollte dann auch dementsprechend weniger Honorar verlangen.
Dies würde nicht nur die gewünschte Verringerung des Preises dieses juristischen Aktes zur
Folge haben, sondern auch eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Notaren und den Anwälten
„erzwingen“.
Der Bericht spricht aber auch die größte Gefahr dieser Verfahrensweise an, welche wäre, dass
sich Anwälte und Notare zusammen tun um Werbung mit einem niedrigen Preis zu machen, was in den
juristischen Berufen zu einem Lohn-Dumping führen könnte.
Deshalb müssten mehrere konkrete
Maßnahmen beschlossen werden, wie beispielsweise den Beweis einer wirklichen Arbeit des Anwalts,
um diese Preireduzierung zu erreichen.
Der Ausschuss schlägt vor, diese konkreten Maßnahmen von
einem neu gegründeten „Haut Conseil des professions juridiques“ („Hoher Rat der juristischen
Berufe“) verfassen und kontrollieren zu lassen.
Auch die Ausbildung an den Universitäten der Juristen soll in Frankreich refomiert werden,
damit es einen größeren Zusammenhalt zwischen den Juristen gibt. Dies ist nämlich eine der großen
Kritiken des Berichts an dem französischen Bildungssystem:
„Man ist angehender Jurist während der ersten Jahre
seines Studiums, bevor man sich so schnell wie möglich, aufgrund der Anforderung einer verfrühten
Spezialisierung, zum Anwalt, Notar oder Richter verändert.“1.
So soll die Grundausbildung stark verändert werden, mit der Forderung noch vor dem ersten
Studienjahr eine Selektion durchzuführen, um eventuell eine falsche Studienwahl zu vermeiden.
Nebenbei, sollten während des Studiums anfangs auch andere Fächer als die rein juristischen Fächer
gelehrt werden, um so mit einem „breiteren Horizont“ in die Berufswelt zu gehen.
Es werden demnach Fächer wie Philosophie, Wirtschaftswissenschaften und Geschichte
erwähnt, welchen Jura-Studenten nun also obligatorisch in ihrem Studienplan auferlegt werden sollten.
Auch eine internationalere Gestaltung des Studiums, durch eine verstärkte Attraktivität für Ausländer
und obligatorische Kurse über ausländische Rechtssysteme, werden von dem Darrois-Ausschuss als
zentrale Anliegen einer Reform des Jura-Studiums gesehen.
Aufgrund der Spezifizität der Ausbildung von Juristen wird zudem verlangt, dass der
Studienplan nicht mehr alleine vom Minister für das Hochschulwesen bestimmt werden soll, sondern
durch eine Kooperation von Justizminister und Minister für Hochsulwesen, wie es in Frankreich für das
Medizinstudium schon der Fall ist.
Allerdings soll es nach Wunsch des Ausschusses zu einer noch größeren Reform in der
Ausbildung zu den jeweiligen juristischen Berufen, mit der Gründung einer „Ecole des professionels du
Droit“ („Schule der juristischen Berufe“), kommen. Diese findet im deutschen System ihr Vorbild.
Bisher gibt es je nach Beruf, den der Student ergreifen möchte, eine spezifische Schule mit
Eingangsprüfung, dem altbekannten französischen concours, und einem Examen zum Abschluss dieser
berufsspezifischen Schule. So gibt es die „Ecole Nationale de la Magistrature“ („Nationale Schule des
Richteramtes“) für die Richter, die jeweilligen „Centre régionaux de formation à la profession d'avocat“
(„Regionale Zentren der Ausbildung zum Anwaltsberuf“) usw.
Diese „Schule der juristischen Berufe“ soll aber nun die Ausbildung der meisten Berufe auf sich
nehmen, wie der des Anwalts, des Zivilrichters oder Verwaltungsrichters etc. Um in diese Schule zu
kommen, müsste es, nach guter, alter französischer Tradition, ein Auswahlverfahren geben, wo die
Berwerber über das Grundwissen, dass ein jeder Jurist haben sollte, befragt werden. Hier anschließend,
im Falle der Aufnahme an der Schule, soll ein vollzeitiger Unterricht von 12 Monaten stattfinden, der
durch seine Praxisbezogenheit, aber auch seine Multidisziplinarität, gekennzeichnet ist.
Für das Bestehen dieser Schule, werden dann die Studenten über Kernfächer geprüft, sowie
über spezifische Fächer zu den jeweiligen juristischen Berufen.
Erst nach Bestehen dieser beiden Prüfungen, einer allgemeinen und einer spezifischen, könnten
1 S. 69, Z. 20-21 des Berichts.
die Studenten den Titel als Anwalt, Notar, Richter usw. erwerben.
Diese Idee war nach der Veröffentlichung des Berichtes in der Hochschulwelt heftig umstritten.
So hat Louis Vogel, Präsident der sehr renommierten Universität für Rechtswissenschaften, Paris II,
Panthéon-Assas, dieses Vorhaben auf seinem Blog kritisiert. Er bemängelt an der Gründung der
„Schule der juristischen Berufe“, dass der Darrois-Bericht den Bologna-Prozess völlig ignoriere, weil er
den Zugang an die Schulen nach dem ersten Master-Jahr ermöglichen will. Aber auch eine Angst vor
einer Degradierung der Universitäten zu einfachen Vorbereitungsschulen auf die „Schule der
juristischen Berufe“ befürchtet Louis Vogel, sowie die sehr hohen Kosten der Gründung von zehn
solcher Schulen in Frankreich.
Aber nicht nur die Grundausbildung soll verändert werden. Auch die Weiterbildung soll, unter
anderem durch obligatorische Maßnahmen, verstärkt werden. Heutzutage betrifft dies nämlich nur
Anwälte (20 Stunden in einem Jahr oder 40 Stunden über 2 Jahre verteilt) und Richter (5 Tage im Jahr
und bei einem Wechsel des Amtes eine Ausbildung über das jeweilige Amt).
In einem Atemzug mit der ausgeweiteten obligatorischen Weiterbildung, nennt der Bericht die
interdisziplinäre und interprofessionnelle Weiterbildung. Ein Teil der Weiterbildung könnte so dem
„Kennenlernen“ eines anderen Berufes gelten und damit den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit
zwischen den Berufen särken.
Ein andere Erfordernis, dem Darrois-Ausschuss zufolge ist, dass diejenigen, die ein
„Betreuungsamt“ übernehmen wollen (man kann hier den Präsidenten einer Anwaltskammer als
Beispiel nennen), sich einer spezifischen Ausbildung, beziehungsweise Weiterbildung, unterziehen
müssen. Allerdings wird präzisiert, dass diese Ausbildung in keinem Falle die Wahl ins Amt in Frage
stellen könnte. Zudem würde der jeweilig Betroffene zum Schluss der Ausbildung eine Bescheinigung
über seine „neuen“ Fähigkeiten erhalten.
Man sieht, dass all diese Reformen in der Ausbildung darauf abzielen, eine größere Einheit
zwischen den Juristen herzustellen. Dies geschieht mit der Begründung, dass es für mehr Lesbarkeit der
Justiz für den Rechtsverbraucher sorgen wird. Aber auch andere Maßnahmen in dem Bericht gehen in
die Richtung einer Verbesserung des Systems für den Rechtsverbraucher.
II. Reformen zugunsten des Rechtsverbrauchers:
Eine der Grundlagen für die ganze Reform der Ausbildungswege ist die Gründung eines
größeren Zusammenhalts zwischen den verschiedenen juristischen Berufen. So soll hauptsächlich eine
bessere Beratung für den Rechtsverbraucher herausspringen. Der einschlägigen Meinung des
Ausschusses zufolge, ist das französische System für den Verbraucher nicht lesbar genug, sodass er sich
verloren fühlt und entweder die Kosten für einen möglichen Rechtsstreit nicht tragen möchte oder
ganz einfach sein Vertrauen in die Justiz verliert.
Man nehme den Fall von Otto Normalverbraucher, der sich scheiden lassen will. In diesem Fall
muss er sich an Anwälte, Notare, Gerichtsvollzieher usw. wenden, die ihn wieder an andere verweisen
können, beispielsweise im Falle einer Berufung. Er muss sich dann also, der Komplexität des Systems
wegen, an mehrere Professionnelle wenden und sich mit dem französischen Rechtssystem stark
befassen, in einer Phase seines Lebens, die ohnein schon nicht einfach ist.
Man sieht, dass der Rechtsverbraucher schnell verloren sein kann, bloß die möglichen Kosten
sieht und deshalb lieber auf sein Recht verzichten könnte. Der Darrois-Ausschuss möchte dies
verhindern.
Zudem sollen die Juristen ihre „Angst“ vor der Unternehmenswelt verlieren. Einer der
Vorschläge des Ausschusses ist also den Status des Syndikusanwalts oder Firmenanwalts zu kreieren.
Dieser Syndikusanwalt hätte einen spezifischen Status den anderen Anwälten gegenüber, weil es
der Meinung des Ausschusses nach Risiken gibt, wenn ein Anwalt in einem Unternehmen arbeitet. So
solle dieser ein Verbot haben, eine persönliche, eigene Kundschaft aufzubauen und ausschließlich für
das Unternehmen arbeiten. Dabei muss im Unternehmen aber seine Unabhängigkeit garantiert werden
und er soll trotz alledem bei der Anwaltskammer eingeschrieben sein, allerdings auf einer gesonderten
Liste.
Mit der Gründung des Syndikusanwalts würde sich Frankreich in gewissen Maßen weiter dem
angelsäschsichen System annähern und dessen Rechtssystem so weiter „globalisieren“.
Es sollen aber auch neue Kooperationsmöglichkeiten ermöglicht werden, die die Unlesbarkeit
des französischen Systems beheben sollen. Als erstes fordert der Bericht, dass die Durchlässigkeit von
Anwaltskanzleien für Richter ermöglicht wird. 2007 wurde beschlossen, dass Richter eine so genannte
„année de mobilité“ (Mobilitätsjahr) in einem Unternehmen machen können. Dies soll auf
Anwaltskanzleien ausgeweitet und auf 2 Jahre verlängert werden.
Aber auch eine zeitlich begrenzte Kooperation, zwischen mehreren verschiedenen juristischen
Berufen, für einen bestimmten Fall oder eine bestimmte Kundschaft, soll ermöglicht werden. Dies
würde den Vorteil haben, dass beispielsweise der Kunde, der eine solche Kooperation akzeptiert hat,
auch damit einverstanden ist, dass die jeweiligen Anwälte und Notare, aber auch Steuerberater oder
Buchhalter, untereinander für den spezifischen Fall nicht mehr der beruflichen Schweigepflicht
unterliegen, was eine Kooperation erleichtert. Der Rechtsverbraucher profitiert dann von einer
umfassenden, qualitativ verbesserten Beratung.
Auch andere Bereiche sind von einer Öffnung für Kooperationen betroffen: es soll möglich
sein interdisziplinäre Strukturen zu gründen, in denen beispielsweise Notare mit Anwälten eine
gemeinsame Kanzlei haben, oder auch Anwälte bei den Obersten Gerichten (Conseil d'Etat und Cour de
Cassation) mit anderen Anwälten, der „niederen“ Gerichte (Tribunal d'instance/de grande instance und Cour
d'Appel beispielsweise), gemeinsam in einer Kanzlei sitzen dürfen.
Der Verbraucher müsste sich dann also bloß an ein Büro wenden, dass die Angelegenheit für ihn
in die Hand nehmen würde. Das Gefühl, verloren zu sein, und nur unverhältnismäßig viel Geld zu
verlieren würde so, der Hoffnung des Ausschusses nach, verschwinden.
Aber auch ein anderes wichtiges Feld für Rechtsverbraucher wird in dem Bericht besprochen:
die Rechtshilfe. Sie soll Bedingungen unterliegen, mehr Anwälte zur Verfügung stehen haben, aber auch
besser finanziert werden. Ein ambitioniertes Vorhaben.
Einer der ersten Vorschläge ist eine so genannte „vorbeugende juristische Beratung“ bevor
man einen Prozess beginnt und Rechtshilfe verlangt. So könnte nämlich der Rechtsverbraucher auf eine
gütliche Einigung hingewiesen werden, die er oft „vergisst“. E
ine vorbeugende Beratung würde
einen grundlos begonnenen Prozess wohl vermeiden.
Ein anderer Vorschlag, der darauf abzielt eine bessere Beratung für den Verbraucher zu erreichen,
ist die Öffnung der Möglichkeit für die Anwaltskammern Anwälte zu rekrutieren, die für Rechtshilfe
beauftragt sind. Diese würden trotz alledem die Möglichkeit haben eine eigene Kundschaft aufzubauen
und wären sozusagen Anwälte, die den Status eines Mitarbeiters der Anwaltskammer haben.
So soll vor allem jungen Anwälten ermöglicht werden zum Teil eine Kundschaft aufzubauen
und trotzdem eine relativ lukrative Bezahlung zu haben. Die Rechtshilfe könnte dann mehr Anwälte
anziehen. Dadurch wären die Anwälte, die Rechtshilfe ausüben, zahlreicher, die Arbeitlast weniger groß
und die Qualität der Beratung qualititativ besser.
All dies kostet natürlich Geld und aus diesem Grund hat sich der Ausschuss auch über die
Finanzierung der Rechtshilfe Gedanken gemacht. Der Bericht hat hierzu zwei konkrete Vorschläge.
Zum Einen möchte der Darrois-Ausschuss eine Gebühr bei allen juristischen Berufen (jeder
Beruf, der eine juristische Domäne betrifft, also Anwälte, Avoués, Notare, Gerichtsvollzieher,
Auktionär usw.) erheben. Der Vorschlag, der aus Gründen der Einfachheit gemacht wird, ist den
Umsatz der Kanzleien mit einer neuen Steuer zu belasten, indem man aber auch auf den Anteil des
Juristischen im oder am Beruf achten muss. Zudem müsste ein so genannter Steuerfreibetrag
eingerichtet werden, um die kleinsten Kanzleien vor eine zu großen Last zu beschützen. Eine andere
Möglichkeit wäre die Modulierung des Steuersatzes, je nach Umsatz der jeweiligen Kanzlei.
Die zweite Möglichkeit, die Finanzierung der Rechtshilfe zu verbessern ist, der Meinung des
Darrois-Ausschusses nach, die Verpflichtung für Familien der Mittelschicht eine
Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Rechnungen anderer Berichte zur Folge wäre ein
obligatorisches Abschließen einer solchen Versicherung für breite Teile der Bevölkerung wirtschaftlich
zu tragen und diese sollten demnach auch eine solche Versicherung abschließen.
So würden nämlich Familien, die theoretisch von der Rechtshilfe profitieren dürften, von ihrer
Rechtsschutzversicherung Gebrauch machen und dadurch das Budget der Rechtshilfe entlasten. Dieses
Geld würde dann für die „Anwälte der Rechtshilfe“ zur Verfügung stehen.
***
Wir haben also gesehen, dass der Darrois-Bericht sehr viele Felder angreift und einen
beachtlichen Reformeifer beweist. Es sollen nicht nur die Arbeitsbedinungen für die juristischen Berufe
verbessert werden.
Auch die Art, die Berufe auszuüben soll reformiert werden, angefangen bei der
Ausbildung.
Hierbei wird aber der Verbraucher nicht außer Acht gelassen und die Reform beweist,
durch ihren Leitfaden, dass das französische Rechtssystem für die Bevölkerung nachvollziehbarer werden muss
und sie nicht davon abhalten soll, ihr Recht überhaupt geltend zu machen.
Die Basis der Reform besteht darin, der Bevölkerung den Zugang zum Recht zu erleichtern. Dies kann nur lobenswert sein.
Allerdings zeigt sich schon jetzt, dass eine solche breite und grundlegende Reform nicht ohne Widerstand durchzusetzen sein wird.
So hat eine Gewerkschaft von Anwälten vor kurzem ein
Referendum angekündigt und nach dem Resultat letzteren schon verkündet, dass sie zwei Vorschläge aus dem Darrois-Bericht bekämpfen werde: die Öffnung von Anwaltskanzleien für Fremdkapital und die Gründung des Firmenanwalts.
Man sieht, es wird keine einfache Sache sein, die korporatistische Denkweise im franösischen Rechtssystem zu brechen..
von Herrn Matthias Hamai, Sciences Po - Student Nancy deutsch - französische Abteilung Recht,
(vom 18.2.2010)