Neue Beitragsreihe: DER DEUTSCH-FRANZÖSISCHE RECHTSANWALT IN DER PRAXIS: hier: URKUNDS- UND WECHSELPROZESS IN FRANKREICH:
16.08.2006
Ein weiteres Beispiel für die Sonderwege, die das französische Lokalrecht in Elsass-Lothringen kennt und das zu schnellen Tituliereungen vor den Handelsgerichten führt (französisches Handelsrecht 2) von RA Me Nils. H. Bayer vom 16.08.2006 Neue Beitragsreihe: DER DEUTSCH-FRANZÖSISCHE RECHTSANWALT IN DER PRAXIS: hier: URKUNDS- UND WECHSELPROZESS IN FRANKREICH: Ein weiteres Beispiel für die Sonderwege, die das französische Lokalrecht in Elsass-Lothringen kennt und welches zu schnellstmöglichen Zwangsvollstreckungstiteln vor den Handelsgerichten Frankreichs (hier: Handelskammern beim TGI) führt (französisches Handelsrecht 2) von RA Me Nils. H. Bayer, Deutsch-Französischer Rechtsanwalt
Das in Elsass-Lothringen (Alsace-Moselle) nach wie vor geltende Urkundsverfahren stammt aus der ehemaligen Zugehörigkeit dieser Region zum Deutschen Reich und ist eingeführt worden, um den Inhabern von Urkunden ein privilegiertes beschleunigtes und vereinfachtes Gerichtsverfahren, mit der Möglichkeit schneller Vollstreckung, zu garantieren.
Gesetzlich geregelt ist dieses Verfahren in den Artikeln 592 bis 605 des lokalen Zivilprozessgesetzbuchs, welches über Artikel 14 des Dekrets Nummer 75-1122 vom 5.12.1975 weiterhin Wirksamkeit entfaltet.
Was von französischen Rechtskundigen als lokales Zivilprozessgesetzbuch bezeichnet wird, stellt inhaltlich nichts anderes dar als die auch heute noch geltende (deutsche) Zivilprozessordnung von 30. Januar 1877. Sogar die Paragraphennummern sind nahezu unverändert geblieben Der einzige Unterschied, der sich seither entwickelt hat, ist dass die aktuelle (deutsche) Zivilprozessordnung um einen Paragraphen § 605 a ZPO ergänzt worden ist, der in der durch Frankreich übernommen und alten Fassung des Deutschen Reiches noch nicht existierte.
Deutsche Juristen mit Französischkenntnissen könnten demnach theoretisch ohne lange Einarbeitung punktuell in Straßburg zwecks Durchsetzung urkundlich verbriefter Forderungen gegen in Frankreich ansässige Schuldner ihrer Mandanten tätig werden und ihre in deutschen Urkundsprozessen gesammelten Erfahrungen in französischen Verfahren zielorientiert umsetzen.
Auf die Eigenheiten dieser Verfahrensart begrenzt wird sogar ein Wissensvorsprung gegenüber elsässischen oder lothringischen Kollegen anzunehmen sein, da der Urkundsprozess in Elsass-Lothringen immer seltener praktiziert wird.
Im übrigen ist aufgrund der Besonderheiten dieses lokalen Rechts bei nicht elsässischen oder lothringischen französischen Kollegen, etwa aus Paris, in der Regel mit vollständiger Unkenntnis zu rechnen, so dass der Deutschland ausgebildete Rechtsanwalt hier eklatant im Vorteil ist.
Zuletzt ist zu berücksichtigen, dass die Fortführung dieser Prozessart in Deutschland zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen und Publikationen in der Fachliteratur bedingt hat, die den wenigen Entscheidungen der zuständigen Berufungsgerichte in Metz und Colmar gegenüberstehen.
Wie in der Zivilprozessordnung vorgesehenen, enthalten die vorgenannten Artikel zunächst allgemeine Vorschriften, die schließlich um besondere Vorschriften, die lediglich für Wechsel gelten, ergänzt werden.
Voraussetzungen: (Artikel 592 des lokalen Zivilprozessbuchs)
Artikel 592 des lokalen Zivilprozessbuchs setzt in Anlehnung an § 592 ZPO einen
Anspruch voraus, welcher die
- Zahlung einer bestimmten Geldsumme
- oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat
wenn sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können.
Die französisch-rechtliche Interpretation des Merkmals der Bestimmtheit setzt eine fällige Forderung voraus (GUINCHARD, DALLOZ, Droit et Pratique de la Procédure Civile 2005 2006, Editions Dalloz, Paris 2004).
Unzulässig sind demnach Urkundsprozesse zwecks Durchsetzung der Vornahme von Handlungen oder Unterlassungen.
Als Urkunde in diesem Sinne wird jedes Schriftstück betrachtet, das hinreichende Beweiskraft entfaltet (Berufungsgerichtshof Metz 10.6.1999, Rec jur. Est 1999, Seite 191), was immer auch damit gemeint sein mag. Erfasst werden also Schuldanerkenntnisse, Wechsel oder Schecks, aber eben auch jegliches andere Schriftstück, das obige Voraussetzungen erfüllt).
Ihr Inhalt alleine muss also ausreichen, um die dem Titel zu Grunde liegenden Tatsachen zu beweisen.
Des weiteren muss es sich nach französischer Rechtsprechung um gesetzmäßige Urkunden handeln, das heißt, solche, die den allgemeinen gesetzlichen Formvorschriften entsprechen., was beispielsweise im Fall eines Wechsels abgelehnt worden ist, der zwar mit Unterschrift versehen war, wobei sich die Unterschrift jedoch ausschließlich auf der Steuermarke befand (Berufungsgerichtshof Metz 10.6.1999, Rec jur. Est 1999, Seite 191).
Andernfalls ist die Klage gemäß Artikel 597 des lokalen Zivilprozessbuchs abzuweisen.
Nach französischer Rechtsauffassung handelt es sich zwar grundsätzlich um eine Zulässigkeitsfrage, die von Amts wegen, das heißt, ohne Rüge durch das Gericht geprüft werden muss, deren rechtlicher Rahmen jedoch durch allgemeines französisches Zivilprozessrecht, namentlich durch Artikel 122 fortfolgende des neuen französischen Zivilprozessgesetzbuchs, bestimmt wird, so dass eine Heilung dieses Formfehlers bis zur richterlichen Entscheidung möglich ist (vergleiche Artikel 126 des neuen französischen Zivilprozessgesetzbuchs).
Die Klageschrift muss ausdrücklich die Erklärung enthalten, dass es sich um eine Urkunds- oder Wechselklage handelt (Art. 593 C. proc. civ. loc.), was in einem Falle, in welchem die Klage zwar als Urkundsklage bezeichnet worden ist, die Klagebegründung jedoch keinerlei Bezugnahme zum lokalen Recht aufgewiesen hat, abgelehnt worden ist (CA Metz, 8. Oktober 2003, Rec. Jur. Est 2004, jur.Seite 12).
Andernfalls gilt die Klage als im ordentlichen Verfahren erhoben (Chéron Muhleisen, Précis de procédre locale applicalbe en matiière civile et commerciale dans les départements de Haut-Rhin, Bas-Rhin et de la Moselle, Librairie du Receuil Sirey, Nr. 524).
Die Kombination mit irgend einem anderen Verfahren, so etwa einem Eilverfahren, ist unzulässig CA Metz, 10. April 1997, Rec. jur. Est, 1994, Seite 132).
Neben den sonstigen Ladungsfristen gelten die besonders kurzen Fristen dieses Verfahrens entsprechend des § 604 ZPO.
Gleiches gilt für die gerichtliche Zuständigkeit entsprechend § 603 ZPO.
Die Vorteile des Verfahrens liegen auf der Hand und entsprechen ebenfalls jenen nach aktuellem deutschen Recht:
Aufgrund des zuletzt Gesagten und der Tatsache, dass kein Zeugenbeweis zugelassen ist, handelt es sich um ein besonders schnelles Verfahren.
(Als Beweismittel sind grundsätzlich nur Urkunden zugelassen, hinsichtlich der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde oder anderer als der in Artikel 592 erwähnten Tatsachen, nur Urkunden oder auch der Schwur gemäß Artikel 1357 – 1355 des französischen Zivilgesetzbuchs in Verbindung mit den Artikeln 317 bis 322 des neuen französischen Zivilprozessgesetzbuchs, (Art. 595 des lokalen Zivilprozessgesetzbuchs), der im deutschen Recht seine Entsprechung durch die Parteivernehmung findet (vgl. § 595 I ZPO).
Auch die Unzulässigkeit von Widerklagen sowie der Erhebung von Einwendungen mithilfe nicht im Urkundsprozess zulässiger Beweismittel (Artikel 597 und 598 des neuen französischen Zivilprozessbuchs) verkürzen das Verfahren und begrenzen die Verfahrensrisiken.
Die Abgabe des Schwurs hat zur Folge, dass die beschworenen Tatsachen prozessual unwiderruflich sind.
Gibt die Gegenpartei keinen Gegenschwur hinsichtlich streitiger und beschworener Tatsachen ab, so gelten diese als zutreffend, was in etwa unstreitigem Vortrag nach deutschem Rechtsverständnis entspricht und nach allgemeinem französischen Prozessrecht in Abweichung zum deutschen Prozessrecht keineswegs regelmäßig der Fall ist. (Zur Notwendigkeit der etwaigen Beweisführung auch hinsichtlich unbestrittener Tatsachen sei auf einen weiteren Beitrag zum französischen Prozessrecht in der Praxis verwiesen).
Im übrigen kann die gerichtliche Entscheidung über die Abgabe des Schwurs gemäß Artikel 320 des neuen französischen Zivilprozessgesetzbuchs unabhängig von der Entscheidung in der Sache, das heißt, selbstständig, angefochten werden.
Im Gegensatz zur Rechtslage beim ordinären Eilverfahren, ermöglicht der Urkundsprozess die Vollstreckung in unbewegliches Vermögen bis hin zur Versteigerung (Artikel 2215 des französischen Zivilgesetzbuchs in Verbindung mit dem Gesetz vom 9.7.1991, Artikel 32, Absatz 1).
Allerdings mangelt es seit 1975 an der vorläufigen Vollstreckbarkeit kraft Gesetzes, da Artikel 708 des lokalen Zivilprozessgesetzbuchs, der diese vorläufige Vollstreckbarkeit ohne weiteres zu tun vorsah, durch Dekret Nr. 75 vom 5.12.1975, Artikel 14 aufgehoben worden ist).
Ob dem Titel vorläufige Vollstreckbarkeit zugebilligt wird, hängt demnach einzig von der richterlichen Entscheidung ab, die im freien Ermessen des Gerichtes steht.
Üblicherweise erklärt das Gericht die vorläufige Vollstreckbarkeit, wenn diese klägerseits beanträgt wird und es davon überzeugt ist, dass keine andere Entscheidung im Nachverfahren zu erwarten ist.
Hinsichtlich des Nachverfahrens und im übrigen sei auf die deutschen Regelungen verwiesen, die sinngemäß auch im hiesigen Urkundsverfahren angewendet werden können.
Zur Klageerhebung in Elsass-Lothringen, die ebenfalls ähnlich der deutschen Regelung ausgestaltet und direkt bei Gericht möglich ist, vgl. weiterer Beitrag
Zur Prozessführung in Frankreich).
Nils H. Bayer, Berlin-Paris 2006
(vom 16.08.2006)
Ein weiteres Beispiel für die Sonderwege, die das französische Lokalrecht in Elsass-Lothringen kennt und das zu schnellen Tituliereungen vor den Handelsgerichten führt (französisches Handelsrecht 2) von RA Me Nils. H. Bayer vom 16.08.2006 Neue Beitragsreihe: DER DEUTSCH-FRANZÖSISCHE RECHTSANWALT IN DER PRAXIS: hier: URKUNDS- UND WECHSELPROZESS IN FRANKREICH: Ein weiteres Beispiel für die Sonderwege, die das französische Lokalrecht in Elsass-Lothringen kennt und welches zu schnellstmöglichen Zwangsvollstreckungstiteln vor den Handelsgerichten Frankreichs (hier: Handelskammern beim TGI) führt (französisches Handelsrecht 2) von RA Me Nils. H. Bayer, Deutsch-Französischer Rechtsanwalt
Das in Elsass-Lothringen (Alsace-Moselle) nach wie vor geltende Urkundsverfahren stammt aus der ehemaligen Zugehörigkeit dieser Region zum Deutschen Reich und ist eingeführt worden, um den Inhabern von Urkunden ein privilegiertes beschleunigtes und vereinfachtes Gerichtsverfahren, mit der Möglichkeit schneller Vollstreckung, zu garantieren.
Gesetzlich geregelt ist dieses Verfahren in den Artikeln 592 bis 605 des lokalen Zivilprozessgesetzbuchs, welches über Artikel 14 des Dekrets Nummer 75-1122 vom 5.12.1975 weiterhin Wirksamkeit entfaltet.
Was von französischen Rechtskundigen als lokales Zivilprozessgesetzbuch bezeichnet wird, stellt inhaltlich nichts anderes dar als die auch heute noch geltende (deutsche) Zivilprozessordnung von 30. Januar 1877. Sogar die Paragraphennummern sind nahezu unverändert geblieben Der einzige Unterschied, der sich seither entwickelt hat, ist dass die aktuelle (deutsche) Zivilprozessordnung um einen Paragraphen § 605 a ZPO ergänzt worden ist, der in der durch Frankreich übernommen und alten Fassung des Deutschen Reiches noch nicht existierte.
Deutsche Juristen mit Französischkenntnissen könnten demnach theoretisch ohne lange Einarbeitung punktuell in Straßburg zwecks Durchsetzung urkundlich verbriefter Forderungen gegen in Frankreich ansässige Schuldner ihrer Mandanten tätig werden und ihre in deutschen Urkundsprozessen gesammelten Erfahrungen in französischen Verfahren zielorientiert umsetzen.
Auf die Eigenheiten dieser Verfahrensart begrenzt wird sogar ein Wissensvorsprung gegenüber elsässischen oder lothringischen Kollegen anzunehmen sein, da der Urkundsprozess in Elsass-Lothringen immer seltener praktiziert wird.
Im übrigen ist aufgrund der Besonderheiten dieses lokalen Rechts bei nicht elsässischen oder lothringischen französischen Kollegen, etwa aus Paris, in der Regel mit vollständiger Unkenntnis zu rechnen, so dass der Deutschland ausgebildete Rechtsanwalt hier eklatant im Vorteil ist.
Zuletzt ist zu berücksichtigen, dass die Fortführung dieser Prozessart in Deutschland zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen und Publikationen in der Fachliteratur bedingt hat, die den wenigen Entscheidungen der zuständigen Berufungsgerichte in Metz und Colmar gegenüberstehen.
Wie in der Zivilprozessordnung vorgesehenen, enthalten die vorgenannten Artikel zunächst allgemeine Vorschriften, die schließlich um besondere Vorschriften, die lediglich für Wechsel gelten, ergänzt werden.
Voraussetzungen: (Artikel 592 des lokalen Zivilprozessbuchs)
Artikel 592 des lokalen Zivilprozessbuchs setzt in Anlehnung an § 592 ZPO einen
Anspruch voraus, welcher die
- Zahlung einer bestimmten Geldsumme
- oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat
wenn sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können.
Die französisch-rechtliche Interpretation des Merkmals der Bestimmtheit setzt eine fällige Forderung voraus (GUINCHARD, DALLOZ, Droit et Pratique de la Procédure Civile 2005 2006, Editions Dalloz, Paris 2004).
Unzulässig sind demnach Urkundsprozesse zwecks Durchsetzung der Vornahme von Handlungen oder Unterlassungen.
Als Urkunde in diesem Sinne wird jedes Schriftstück betrachtet, das hinreichende Beweiskraft entfaltet (Berufungsgerichtshof Metz 10.6.1999, Rec jur. Est 1999, Seite 191), was immer auch damit gemeint sein mag. Erfasst werden also Schuldanerkenntnisse, Wechsel oder Schecks, aber eben auch jegliches andere Schriftstück, das obige Voraussetzungen erfüllt).
Ihr Inhalt alleine muss also ausreichen, um die dem Titel zu Grunde liegenden Tatsachen zu beweisen.
Des weiteren muss es sich nach französischer Rechtsprechung um gesetzmäßige Urkunden handeln, das heißt, solche, die den allgemeinen gesetzlichen Formvorschriften entsprechen., was beispielsweise im Fall eines Wechsels abgelehnt worden ist, der zwar mit Unterschrift versehen war, wobei sich die Unterschrift jedoch ausschließlich auf der Steuermarke befand (Berufungsgerichtshof Metz 10.6.1999, Rec jur. Est 1999, Seite 191).
Andernfalls ist die Klage gemäß Artikel 597 des lokalen Zivilprozessbuchs abzuweisen.
Nach französischer Rechtsauffassung handelt es sich zwar grundsätzlich um eine Zulässigkeitsfrage, die von Amts wegen, das heißt, ohne Rüge durch das Gericht geprüft werden muss, deren rechtlicher Rahmen jedoch durch allgemeines französisches Zivilprozessrecht, namentlich durch Artikel 122 fortfolgende des neuen französischen Zivilprozessgesetzbuchs, bestimmt wird, so dass eine Heilung dieses Formfehlers bis zur richterlichen Entscheidung möglich ist (vergleiche Artikel 126 des neuen französischen Zivilprozessgesetzbuchs).
Die Klageschrift muss ausdrücklich die Erklärung enthalten, dass es sich um eine Urkunds- oder Wechselklage handelt (Art. 593 C. proc. civ. loc.), was in einem Falle, in welchem die Klage zwar als Urkundsklage bezeichnet worden ist, die Klagebegründung jedoch keinerlei Bezugnahme zum lokalen Recht aufgewiesen hat, abgelehnt worden ist (CA Metz, 8. Oktober 2003, Rec. Jur. Est 2004, jur.Seite 12).
Andernfalls gilt die Klage als im ordentlichen Verfahren erhoben (Chéron Muhleisen, Précis de procédre locale applicalbe en matiière civile et commerciale dans les départements de Haut-Rhin, Bas-Rhin et de la Moselle, Librairie du Receuil Sirey, Nr. 524).
Die Kombination mit irgend einem anderen Verfahren, so etwa einem Eilverfahren, ist unzulässig CA Metz, 10. April 1997, Rec. jur. Est, 1994, Seite 132).
Neben den sonstigen Ladungsfristen gelten die besonders kurzen Fristen dieses Verfahrens entsprechend des § 604 ZPO.
Gleiches gilt für die gerichtliche Zuständigkeit entsprechend § 603 ZPO.
Die Vorteile des Verfahrens liegen auf der Hand und entsprechen ebenfalls jenen nach aktuellem deutschen Recht:
Aufgrund des zuletzt Gesagten und der Tatsache, dass kein Zeugenbeweis zugelassen ist, handelt es sich um ein besonders schnelles Verfahren.
(Als Beweismittel sind grundsätzlich nur Urkunden zugelassen, hinsichtlich der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde oder anderer als der in Artikel 592 erwähnten Tatsachen, nur Urkunden oder auch der Schwur gemäß Artikel 1357 – 1355 des französischen Zivilgesetzbuchs in Verbindung mit den Artikeln 317 bis 322 des neuen französischen Zivilprozessgesetzbuchs, (Art. 595 des lokalen Zivilprozessgesetzbuchs), der im deutschen Recht seine Entsprechung durch die Parteivernehmung findet (vgl. § 595 I ZPO).
Auch die Unzulässigkeit von Widerklagen sowie der Erhebung von Einwendungen mithilfe nicht im Urkundsprozess zulässiger Beweismittel (Artikel 597 und 598 des neuen französischen Zivilprozessbuchs) verkürzen das Verfahren und begrenzen die Verfahrensrisiken.
Die Abgabe des Schwurs hat zur Folge, dass die beschworenen Tatsachen prozessual unwiderruflich sind.
Gibt die Gegenpartei keinen Gegenschwur hinsichtlich streitiger und beschworener Tatsachen ab, so gelten diese als zutreffend, was in etwa unstreitigem Vortrag nach deutschem Rechtsverständnis entspricht und nach allgemeinem französischen Prozessrecht in Abweichung zum deutschen Prozessrecht keineswegs regelmäßig der Fall ist. (Zur Notwendigkeit der etwaigen Beweisführung auch hinsichtlich unbestrittener Tatsachen sei auf einen weiteren Beitrag zum französischen Prozessrecht in der Praxis verwiesen).
Im übrigen kann die gerichtliche Entscheidung über die Abgabe des Schwurs gemäß Artikel 320 des neuen französischen Zivilprozessgesetzbuchs unabhängig von der Entscheidung in der Sache, das heißt, selbstständig, angefochten werden.
Im Gegensatz zur Rechtslage beim ordinären Eilverfahren, ermöglicht der Urkundsprozess die Vollstreckung in unbewegliches Vermögen bis hin zur Versteigerung (Artikel 2215 des französischen Zivilgesetzbuchs in Verbindung mit dem Gesetz vom 9.7.1991, Artikel 32, Absatz 1).
Allerdings mangelt es seit 1975 an der vorläufigen Vollstreckbarkeit kraft Gesetzes, da Artikel 708 des lokalen Zivilprozessgesetzbuchs, der diese vorläufige Vollstreckbarkeit ohne weiteres zu tun vorsah, durch Dekret Nr. 75 vom 5.12.1975, Artikel 14 aufgehoben worden ist).
Ob dem Titel vorläufige Vollstreckbarkeit zugebilligt wird, hängt demnach einzig von der richterlichen Entscheidung ab, die im freien Ermessen des Gerichtes steht.
Üblicherweise erklärt das Gericht die vorläufige Vollstreckbarkeit, wenn diese klägerseits beanträgt wird und es davon überzeugt ist, dass keine andere Entscheidung im Nachverfahren zu erwarten ist.
Hinsichtlich des Nachverfahrens und im übrigen sei auf die deutschen Regelungen verwiesen, die sinngemäß auch im hiesigen Urkundsverfahren angewendet werden können.
Zur Klageerhebung in Elsass-Lothringen, die ebenfalls ähnlich der deutschen Regelung ausgestaltet und direkt bei Gericht möglich ist, vgl. weiterer Beitrag
Zur Prozessführung in Frankreich).
Nils H. Bayer, Berlin-Paris 2006
(vom 16.08.2006)