Die Arbeitsgerichtsbarkeit in Frankreich: (Arbeitsrecht in Frankreich I
vom 04.07.2003
Der Beitrag "französisches Arbeitsrecht I" hat zum Ziel, einen kurzen Einblick in die französische Arbeitsgerichtsbarkeit zu gewähren, so etwa den Gerichtsaufbau und das arbeitsgerichtliche Verfahren.
Die französische Arbeitsgerichtsbarkeit funktioniert auf drei hierarchischen Stufen. Auf der untersten Stufe arbeiten die Conseils de Prud'hommes, vergleichbar einem deutschen Arbeitsgericht. In der Berufungsinstanz sind die Chambres Sociales der Appelationshöfe, die Cours d'Appel zuständig und als Art Revisionsinstanz verbleibt die Chambre Sociale des Kassationsgerichtshofes, welche Urteile auf Rechtsfehler hin überprüft, rechtsfehlerhafte Urteile aufhebt und zur Neuverhandlung an die Untergerichte zurückverweist.
1. Conseils de Prud'hommes
a. Die Organisation der Conseils de Prud'hommes
Die französischen Arbeitsgerichte, deren mindestens eines in jedem Landgerichtsbezirk (TGI) residiert, sind in allen aus Anlass eines Arbeitsvertrages auftretenden individuellen Streitigkeiten zur Entscheidung berufen (Art. L.511-1). Sie sind in sechs verschiedene Abteilungen unterteilt. Fünf Abteilungen sind jeweils für die Bereiche Industrie, Handel und Handelsdienstleistungen, Landwirtschaft, Verschiedenes und leitende Angestellte zuständig. Die sechste Abteilung beschäftigt sich mit Eilverfahren (Art. L 512-2).
Die einzelnen Kammern der Arbeitsgerichte bestehen aus je vier Vertretern der Arbeitgeber und vier Vertretern der Arbeitnehmer. Diese wählen aus ihrer Mitte sowohl ein Kammervorsitzenden, einen Abteilungsvorsitzenden sowie einen Gerichtspräsidenten nebst den dazugehörigen Stellvertretern.
Abteilungen und Kammern bestehen jeweils aus einem Schlichtungs- und einem Urteilsbüro. Das Schlichtungsbüro übernimmt eine ähnliche Funktion wie ein deutsches Arbeitsgericht im Güteverfahren. Es ist mit je einem Richter aus dem Arbeitgeberkollegium und einem Richter aus dem Arbeitnehmerkollegium besetzt (Art. L - 515-1 ff). Ergibt sich bei der Entscheidung des Schlichtungsbüros eine Stimmengleichheit, so wird die Sache dem gleichen Büro erneut vorgelegt. An der erneut erforderlich werdenden Entscheidung beteiligt sich dann allerdings ein aus der zivilen Gerichtsbarkeit erster Instanz (T.I.) entsandter Berufsrichter, vergleichbar einem deutschen Amtsrichter (Art L-515-3), so dass den Laienrichtern nicht nur ein Profi zur Seite steht, der den Vorsitz führt, sondern auch eine Stimmengleichheit für den Verfahrensfortgang in derselben Instanz ausgeschlossen ist.
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich grundsätzlich aus dem Arbeitsort (Art R 517-1). Darüber hinaus gibt es Sonderzuständigkeiten.
b. Das Verfahren vor den Conseils de Prud'hommes:
Das Verfahren wird durch Klageeinreichung eingeleitet, die auch, wie in Deutschland, zu Protokoll der Geschäftsstelle erhoben werden kann (Art. R 516-14).
Zunächst ist ein Schlichtungstermin vor dem zuständigen Schlichtungsbüro durchzuführen. Bei Einigung der Parteien kann ein Prozessvergleich geschlossen werden (Art. R 516-14). Darüber hinaus ist das Schlichtungsbüro befugt, notfalls Eilmaßnahmen zu ergreifen, wie etwa die Anordnung der Übergabe der Lohnabrechnung, eines Zeugnisses oder anderer Dokumente und, was für den Arbeitnehmer von existenzieller Bedeutung ist, die Zahlung von Vorschüssen auf rückständige Löhne, ausstehende Urlaubsabgeltungsansprüche, Kündigungsfristentschädigungs- sowie Kündigungsentschädigungsansprüche bis zum Höchstbetrag von sechs Monatslöhnen.
Ist eine Einigung im Schlichtungsverfahren nicht möglich, so wird die Sache an das Entscheidungsbüro weiter verwiesen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, dem Kammertermin in Deutschland vergleichbar, erlässt das Entscheidungsbüro ein Urteil, wodurch die erste Instanz abgeschlossen wird.
2. Cour d'Appel, chambre sociale (Appelationsgericht, Sozialkammer) und Cour de Cassation, Chambre Sociale
Bei Erreichen der Berufungssumme eröffnet sich die Möglichkeit der Berufungseinlegung beim Appelationsgericht. Andernfalls steht nur noch die Revision zum Kassationsgerichtshof offen, der über bloße Rechtsfehler befindet und die angefochtene Entscheidung aufheben, diese jedoch durch keine eigene Entscheidung ersetzen kann. Auch die Entscheidung des Appelationsgerichts ist im Wege der Rüge von Rechtsfehlern vor dem Kassationsgerichtshof anfechtbar. Eine weitere Überprüfung, etwa durch ein französisches Bundesverfassungsgericht, ist nicht möglich, da die Befugnisse des Conseil Constitutionnel nicht annähernd mit denen des Bundesverfassungsgerichtes vergleichbar sind und es eine Verfassungsbeschwerde nach deutschen Schema in Frankreich nicht gibt.
NH BAYER
(vom 04.07.2003)
Der Beitrag "französisches Arbeitsrecht I" hat zum Ziel, einen kurzen Einblick in die französische Arbeitsgerichtsbarkeit zu gewähren, so etwa den Gerichtsaufbau und das arbeitsgerichtliche Verfahren.
Die französische Arbeitsgerichtsbarkeit funktioniert auf drei hierarchischen Stufen. Auf der untersten Stufe arbeiten die Conseils de Prud'hommes, vergleichbar einem deutschen Arbeitsgericht. In der Berufungsinstanz sind die Chambres Sociales der Appelationshöfe, die Cours d'Appel zuständig und als Art Revisionsinstanz verbleibt die Chambre Sociale des Kassationsgerichtshofes, welche Urteile auf Rechtsfehler hin überprüft, rechtsfehlerhafte Urteile aufhebt und zur Neuverhandlung an die Untergerichte zurückverweist.
1. Conseils de Prud'hommes
a. Die Organisation der Conseils de Prud'hommes
Die französischen Arbeitsgerichte, deren mindestens eines in jedem Landgerichtsbezirk (TGI) residiert, sind in allen aus Anlass eines Arbeitsvertrages auftretenden individuellen Streitigkeiten zur Entscheidung berufen (Art. L.511-1). Sie sind in sechs verschiedene Abteilungen unterteilt. Fünf Abteilungen sind jeweils für die Bereiche Industrie, Handel und Handelsdienstleistungen, Landwirtschaft, Verschiedenes und leitende Angestellte zuständig. Die sechste Abteilung beschäftigt sich mit Eilverfahren (Art. L 512-2).
Die einzelnen Kammern der Arbeitsgerichte bestehen aus je vier Vertretern der Arbeitgeber und vier Vertretern der Arbeitnehmer. Diese wählen aus ihrer Mitte sowohl ein Kammervorsitzenden, einen Abteilungsvorsitzenden sowie einen Gerichtspräsidenten nebst den dazugehörigen Stellvertretern.
Abteilungen und Kammern bestehen jeweils aus einem Schlichtungs- und einem Urteilsbüro. Das Schlichtungsbüro übernimmt eine ähnliche Funktion wie ein deutsches Arbeitsgericht im Güteverfahren. Es ist mit je einem Richter aus dem Arbeitgeberkollegium und einem Richter aus dem Arbeitnehmerkollegium besetzt (Art. L - 515-1 ff). Ergibt sich bei der Entscheidung des Schlichtungsbüros eine Stimmengleichheit, so wird die Sache dem gleichen Büro erneut vorgelegt. An der erneut erforderlich werdenden Entscheidung beteiligt sich dann allerdings ein aus der zivilen Gerichtsbarkeit erster Instanz (T.I.) entsandter Berufsrichter, vergleichbar einem deutschen Amtsrichter (Art L-515-3), so dass den Laienrichtern nicht nur ein Profi zur Seite steht, der den Vorsitz führt, sondern auch eine Stimmengleichheit für den Verfahrensfortgang in derselben Instanz ausgeschlossen ist.
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich grundsätzlich aus dem Arbeitsort (Art R 517-1). Darüber hinaus gibt es Sonderzuständigkeiten.
b. Das Verfahren vor den Conseils de Prud'hommes:
Das Verfahren wird durch Klageeinreichung eingeleitet, die auch, wie in Deutschland, zu Protokoll der Geschäftsstelle erhoben werden kann (Art. R 516-14).
Zunächst ist ein Schlichtungstermin vor dem zuständigen Schlichtungsbüro durchzuführen. Bei Einigung der Parteien kann ein Prozessvergleich geschlossen werden (Art. R 516-14). Darüber hinaus ist das Schlichtungsbüro befugt, notfalls Eilmaßnahmen zu ergreifen, wie etwa die Anordnung der Übergabe der Lohnabrechnung, eines Zeugnisses oder anderer Dokumente und, was für den Arbeitnehmer von existenzieller Bedeutung ist, die Zahlung von Vorschüssen auf rückständige Löhne, ausstehende Urlaubsabgeltungsansprüche, Kündigungsfristentschädigungs- sowie Kündigungsentschädigungsansprüche bis zum Höchstbetrag von sechs Monatslöhnen.
Ist eine Einigung im Schlichtungsverfahren nicht möglich, so wird die Sache an das Entscheidungsbüro weiter verwiesen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, dem Kammertermin in Deutschland vergleichbar, erlässt das Entscheidungsbüro ein Urteil, wodurch die erste Instanz abgeschlossen wird.
2. Cour d'Appel, chambre sociale (Appelationsgericht, Sozialkammer) und Cour de Cassation, Chambre Sociale
Bei Erreichen der Berufungssumme eröffnet sich die Möglichkeit der Berufungseinlegung beim Appelationsgericht. Andernfalls steht nur noch die Revision zum Kassationsgerichtshof offen, der über bloße Rechtsfehler befindet und die angefochtene Entscheidung aufheben, diese jedoch durch keine eigene Entscheidung ersetzen kann. Auch die Entscheidung des Appelationsgerichts ist im Wege der Rüge von Rechtsfehlern vor dem Kassationsgerichtshof anfechtbar. Eine weitere Überprüfung, etwa durch ein französisches Bundesverfassungsgericht, ist nicht möglich, da die Befugnisse des Conseil Constitutionnel nicht annähernd mit denen des Bundesverfassungsgerichtes vergleichbar sind und es eine Verfassungsbeschwerde nach deutschen Schema in Frankreich nicht gibt.
NH BAYER
(vom 04.07.2003)