Update französisches Arbeitsrecht
Das französische Arbeitnehmerrecht Offline zu gehen.
Das französische Arbeitnehmerrecht Offline zu gehen und die damit einhergehenden Pflichten französischer Arbeitgeber
Update französisches Arbeitsrecht
Das französische Arbeitnehmerrecht Offline zu gehen.
Das französische Arbeitnehmerrecht Offline zu gehen und die damit einhergehenden Pflichten französischer Arbeitgeber
Das französische Arbeitnehmerrecht Offline zu gehen und die damit einhergehenden Pflichten französischer Arbeitgeber
Work - Life - Balance spielt in Frankreich traditionell eine größere Rolle als in Deutschland. Die im letzten Jahrzehnt eingeführte mobile Telefon- und Computertechnik, allen voran das Blackberry, hat das Berufsleben nachhaltig verändert. Jeder ist seither überall erreichbar und mit dem Unternehmen elektronisch verbunden. Heimarbeitsplätze stellen insbesondere für Arbeitgeber in den Metropolen kostengünstige Alternativen dar. Auch für Arbeitnehmer boten sich neue Möglichkeiten, Arbeits- und Familienleben besser in Einklang zu bringen. Nach und nach haben sich schließlich die negativen Seiten dieser neuen Möglichkeiten bemerkbar gemacht. Mit dem Blackberry konnte man jederzeit bis in die Nacht und am Wochenende erreicht werden und ein Emailcheck vor dem Schlafen konnte schlaflose Nächte bereiten, ein Emailcheck am Wochenende den sonst unbeschwerten Sonntag vermiesen. Vom Abschalten von der Arbeit, um sich am Wochenende zu erholen und mit neuer Kraft in die Weise zu starten, konnte nicht ehr die Rede sein. Das fehlende Abschalten des Smartphones verhinderte plötzlich bei Millionen Arbeitnehmern, auch gedanklich in den Erholungsphasen von der Arbeit Abstand nehmen zu können. Damit war der Erholungseffekt teils dahin, was sich negativ auf die Leistungsfähigkeit auswirkt.
Das hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung des französischen Kassationsgerichtshofs schon vor etlichen Jahren erkannt.
Bereits mit seiner Entscheidung Nr. 99 – 42727 vom 2. Oktober 2001 hat der Senat für Arbeitssachen (chambre sociale) des französischen Kassationsgerichtshofs befunden, dass ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, von zuhause aus zu arbeiten und dort seine, Arbeitsmittel zu deponieren.
Im Jahre 2004 (17. Februar 2004, Arrêt Nr. 01-45859) hat das höchste französische für Arbeitsrechtsstreitigkeiten zuständige Zivilgericht (chambre sociale de la Cour de Cassation) geurteilt, dass die Tatsache, dass der Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeiten nicht auf seinem privaten Mobiltelefon erreicht werden kann, nicht als Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten gewertet werden kann und folglich keine (außerordentliche personenbedingte) Kündigung wegen Fehlverhaltens rechtfertigt.
Artikel 17 der ANI Bestimmungen vom 19.6.2013 haben schließlich postuliert, dass Arbeitsverhältnisse unter Beachtung der Work – Life – Balance – Grundsätze zu vollziehen sind.
Um diesen Bestimmungen gerecht zu werden, haben sich grosso modo drei Modelle durchgesetzt:
Das erste überlässt es der freien Entscheidung des Arbeitnehmers, offline zu gehen. Die Umsetzung dieses Modells erfordert den geringsten Organisationsaufwand. Ganz ohne funktioniert dieses Modell aber nicht, da der Arbeitgeber verpflichtet ist, zu kontrollieren, ob sich der Arbeitnehmer tatsächlich dekonnektiert.
Das zweite Modell definiert einen Rahmen für das Abschalten. Es wird vereinbart, dass der Arbeitnehmer im Urlaub und während sonstiger Erholungs- und Ruhezeiten offline zu gehen hat. Auch hier bedarf es einer Kontrolle, ob er dieser Vertragspflicht nachkommt.
Das dritte Modell gebietet das Abschalten. Die elektronische Verbindung zum Arbeitgeber ist zwingend kategorisch und ausnahmslos im Urlaub und während sonstiger Erholungs- und Ruhezeiten verboten. Umsetzen kann man dies, indem man etwa den Serverzugang blockiert.
Schwierig wird es, wenn die Arbeitszeit nicht in Wochenstunden organisiert ist, sondern per für höhere Führungskräfte in Frankreich oft verwendete Tagespauschalen (forfait-jours).
Das französische Arbeitsgesetzbuch erfasst das Recht, Offline zu gehen, in den Artikeln L. 4121-1 und L. 4122-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs „Code du travail“.
Im ersteren wird klargestellt, dass der Arbeitnehmer nicht dafür sanktioniert werden darf, dass er sich dekonnektiert.
Einzelne Branchenvereinbarungen (so etwa die CCN im Bereich des französischen Großhandels „commerce de gros“) enthalten mittlerweile den Arbeitnehmern obliegende Pflichten, Offline zu gehen. Diesen Arbeitnehmerpflichten stehen stets die korrespondieren Pflichten des Arbeitgebers gegenüber, die Einhaltung der Abschaltungspflicht zu kontrollieren.
Artikel L.2242-8 des französischen Arbeitsgesetzbuchs bestimmt schließlich, dass jährliche in Unternehmen ab 50 Arbeitnehmern Verhandlungen über die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben stattzufinden haben. Kommt es zu keiner Eintragung, können die Arbeitgeber nach Anhörung des Betriebsrates oder Personalvertreters eine Charta erarbeiten,
Dasselbe Obligo trifft Arbeitgeber, die weniger als 50 Arbeitnehmer beschäftigen, soweit im Unternehmen ein Gewerkschaftsdelegierter berufen worden ist.
Wer diese Pflichten unbeachtet lässt, riskiert sehr erhebliche strafrechtliche Sanktionen; Bußgeld von 3.750,00 € und bis zu einem Jahr Gefängnis.
Artikel L.4121-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs bestimmt schließlich allgemein, dass der französische Arbeitgeber alle für die Sicherheit und körperliche und geistige Gesundheit der der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu ergreifen hat und Ruhe- und Erholungszeiten sowie das Privat- und Familienleben zu respektieren sind.
*Der Autor Nils H. Bayer ist Absolvent des Centre Juridique Franco-Allemand und ausgewiesener Experte im deutsch-französischen Recht. Er praktiziert zugleich als Rechtsanwalt (Berlin) und französischer Avocat à la Cour (Paris) von Berlin aus.