Scheidung deutsch französischer und sonstiger in der EU ansässiger Paare und das Europarecht. Vorsicht vor voreiligen Anträgen im falschen Land.
Ein Vergleich des deutschen und französischen Scheidungsrechts ist ratsam, bevor die Scheidung in Deutschland oder Frankreich beantragt wird.
Im beauftragten hiesigen Fall waren Antragsteller und Antragsgegner belgische Staatsbürger und hatten beide eine weitere nicht EU - Nationalität.
Die Ehefrau zog nach Berlin und beantragte von dort aus über einen deutschenFachanwalt für Familienrecht beim lokalen Familiengericht die Scheidung von ihrem Ehemann nach deutschem Recht. Dieser wandte sich an den Unterzeichner mit der Bitte, zu klären, ob gegen den Antrag etwas unternommen werden könne.
Nach kurzer Recherche konnte festgestellt werden, dass der Scheidungsantrag in Deutschland aufgrund europarechtlicher Normen bereits nicht zulässig war. Die entscheidende Argumentation, welcher das Gericht folgen musste, sei nachfolgend wiedergegebenen
Die Klage ist bereits mangels Zuständigkeit des angerufenen Gerichts abzuweisen.
Zwar behauptet die Klägerin auf Seite 2 der Klageschrift lapidar, die Zuständigkeit ergebe sich aus § 606 I 2 ZPO. Dies ist jedoch unzutreffend, da diese Vorschrift hier nicht zur Anwendung kommt. Das angerufene Gericht hat seine (Un-)Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen, weshalb diesseits überrascht, dass es überhaupt zu einer Klagezustellung gekommen ist.
Die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus EG-VO. Diese entfaltet unmittelbare Wirkung in allen Mitgleidsstaaten der Europäischen Union und geht dem lokalen Landesrecht der Mitgliedsstaaten vor. Nationale landesspezifische Regelungen sind im übrigen verordnungskonform auszulegen.
Die internationale örtliche Zuständigkeit ergibt sich vorliegend zunächst aus Artikel 2 EG-VO Nr. 1347/200 des Rates vom 29.05.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder und Ehegatten.
Danach sind für die Entscheidungen die die Ehescheidung betreffen, die Gerichte des Mitgliedsstaates zuständig, in dessen Hoheitsgebiet beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder die Ehegatten, wie hier, zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten (hier:Belgien), sofern einer von Ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (hier: Belgien) oder der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (hier: Belgien) oder der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (hier: Deutschland), wenn er sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor Antragstellung aufgehalten hat. Letztere Alternative wäre die einzige, die zugunsten der Antragstellerin die Zuständigkeit des deutschen Gerichts begründen könnte. Da sie aber erst seit Ende September 2004 in Deutschland aufenthaltig ist und bereits im Februar 2002 Scheidungsantrag gestellt hat, ist der Antrag auf Scheidung der Ehe mangels Zuständigkeit von Amts wegen durch das hiesige Gericht unverzüglich zurückzuweisen. Das unzulässige Forumshopping der Klägerin darf insbesondere nicht durch Verhalten des Gerichts, das seinen Prüfungpflichten nicht nachkommt, etwa durch bloßes Zuwarten, gebilligt werden, da vorbezeichnete Verordnung solches nicht zulässt und das Gericht, anders als die Bevollmächtigten, zur strikten Neutralität verpflichtet ist. § 606 ZPO ist erst dann anzuwenden, wenn die deutsche Zuständigkeit nach vorbenannter Verordnung überhaupt gegeben ist (Zöller/Philippi, 23. Auflage, § 606, Rn. 21)
Das Gericht hatte den Scheidungsantrag nachfolgend als unzulässig zurückgewiesen.
Nils Holger Bayer
Deutsch - französischer Rechtsanwalt
Berlin . Paris