Die strafrechtliche Haftung von juristischen Personen in Frankreich (Strafrecht in Frankreich I) (Beitrag von N.H. Bayer, Deutsch-Französischer Rechtsanwalt
vom 02.08.2003
(Rechtsanwalt und Avocat à la Cour, Deutschland-Frankreich) vom 02.08.2003 Die strafrechtliche Haftung juristischer Personen in Frankreich kann auch für deutsche Unternehmer von Relevanz sein. Und dies, ohne dass sie je persönlich strafrechtlich in Erscheinung treten. Denn das französische Strafrecht kann an dieser wie an anderen Stellen grenzüberschreitende Wirkung auch für Nichtfranzosen entfalten.
I. Der Grundsatz strafrechtlicher Haftung juristischer Personen in Frankreich
Das Prinzip der strafrechtlichen Haftung juristischer Personen in Frankreich stellt eine wesentliche Besonderheit zur althergebrachten deutschen Strafrechtsauffassung dar, die strafrechtliche Haftung sei immer und ausschließlich an natürlichen Personen, das heißt, Individuen anzuknüpfen.
Auch das französische Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1810 ging zunächst vom Prinzip der " Persönlichkeit der Strafen" und der strafrechtlichen Haftungsunfähigkeit juristischer Personen aus.
Der zivil- und handelsrechtlichen Entwicklung, insbesondere der Tatsache folgend, dass am Geschäfts- und Rechtsverkehr immer mehr juristische Personen teilgenommen haben, fand schließlich durch den französischen Gesetzgeber auch im Bereich des Strafrechts ein grundsätzliches Umdenken statt. Entgegen der in Deutschland weiterhin vertretenen Auffassung, der Einführung einer Haftung juristischer Personen bedürfe es nicht, die persönliche Haftung der Agierenden sei hinreichend, entschied man sich vor einigen Jahren jenseits des Rheines, im Zuge der Reform des Strafrechtes im neuen Strafgesetzbuch "Nouveau Code Pénal", gerade jene Haftung juristischer Person einzuführen. Denn in Frankreich kam man zu dem Ergebnis, eine bloße Haftung einzelner (natürlicher) Personen werde der besonderen Interessenlage juristischer Personen nicht gerecht und führe zu Strafbarkeitslücken.
Die Einführung der Haftung juristischer Personen im französischen Strafrecht stellt die wesentliche Innovation der vor wenigen Jahren durchgeführten Strafrechtsreform dar.
Der Nouveau Code Pénal postuliert dieses allgemeine Prinzip unter Art. 121 - 1:
Die individuelle Haftung natürlicher Personen bleibt hiervon unberührt.
II. Ausdehnung und Grenzen strafrechtlicher Haftung juristischer Personen in Frankreich:
1. Zum Anwendungsbereich der Haftung auf juristische Personen des Öffentlichen wie des Zivilrechts
Die strafrechtliche Haftung juristischer Personen erfasst sowohl jene des Zivil- als auch des Öffentlichen Rechts, wie etwa öffentliche Anstalten und Kommunen.
2. Denkbare Haftung eines Deutschen (über eine E.W.I.V.) für eine durch einen Franzosen begangene Straftat im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten für die gemeinsame Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung.
Auch G.I.E., also wirtschfatliche Interessenvereinigungen fallen unter den Anwendungsbereich des Artikel 121 - 1 des Code Pénal, was unter anderem für die vielen neu gegründeten anwaltlichen Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigungen (E.W.I.V. oder G.I.E.E.) von Relevanz ist, die zumindest einen Sitz in Frankreich aufweisen. Solches wird allermeistens der Fall sein. Auf diesem Wege werden daher auch Deutsche für mögliche Taten, die ihre französischen Kollegen in Frankreich begehen, zur Rechenschaft gezogen werden, wenn auch nicht persönlich, sondern über die E.W.I.V.. Denn die Sanktionen, welche gegen die E.W.I.V. ausgesprochen werden, haben de facto erhebliche Auswirkungen auf die Mitglieder der E.W.I.V.. Hier seien nicht nur finanzielle Lasten erwähnt, sondern auch die Auflösung der EWIV und, was insbesondere Rechtswanwälte interessieren wird, sogar ein Berufsverbot.
Es ist demnach festzuhalten, dass die Einführung des Haftungssprinzips juristischer Personen in Frankreich auch für Deutsche von grundlegender Bedeutung sein muss. Für die Praxis bedeutet dies, dass etwa deutsche Unternehmer gut beraten sind, bei bi- und internationalen Geschäftstätigkeiten Berater aufzusuchen, die sich in beiden Rechtsordnungen auskennen, innerhalb deren räumlichen Geltungsbereichs geschäftliche Tätigkeit entfaltet wird. Denn andernfalls wird es einem deutschen Mitglied einer E.W.I.V. oder der zukünftigen europäischen Aktiengesellschaft nicht möglich sein, beurteilen zu können, ob dasjenige Geschäft, welches im Inland unproblematisch erscheint, im Ausland nicht doch unter Strafe gestellt ist. Gesunder Menschenverstand reicht hier schon längst nicht mehr als alleiniges Kriterium aus. Und der Hinweis, persönlich keine strafbare Handlung begangen zu haben, wird den französischen Strafrichter unbeeindruckt lassen.
3. Die Haftung juristischer Personen ist auf bestimmte Strafen in seiner Rechtsfolge beschränkt.
a. Für Verbrechen und Delikte sieht der Code Pénal (Art. 131-39 C.Pén.) etwa die folgenden Strafen vor:
- Verfügung gerichtsseitiger Überwachung
- Beschlagnahme
- Urteilsveröffentlichung (etwa in großen Tageszeitungen) auf Kosten des Verurteilten
- Auflösung der juristischen Person
- Berufsverbot Ausn.: Amt aufgrund von Wahlen, Ämter in Gewerkschaften, Pressetätigkeit, Minderjährige)
- Schließung der Niederlassung
- Ausschluss aus Vergabeverfahren
- Verbot der Nutzung von Schecks und Kreditkarten
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass Auflösung und Verfügung gerichtsseitiger Überwachung im Bereich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts keine Anwendung finden. Ebenfalls unanwendbar sind diese Sanktion auf Parteien und sonstige politischen Gruppierungen sowie Gewerkschaften. Auch die Auflösung einer Arbeitnehmervertretung ist untersagt.
b. Den Bereich der Contraventions regelt Artikel 131-40 i.V.m. Artikel 131-42 C. Pén..
Wir verzichten aus Platzgründen auf die Darstellung des kompletten Strafkatalogs und empfehlen insoweit die Konsultierung eines auch im französischen Recht rechtskundigen Rechtsanwalts.
Erwähnenswert ist die Tatsache, dass die Veröffentlichung des Strafurteils in Zeitungen als Strafe in diesem Bereich nicht zulässig ist.
2. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung weitere Ausnahmen zur strafrechtlichen Haftung juristischer Personen anerkannt (Beispiele):
a. So werden etwa rein faktische Gesellschaften von der Haftung ausgeschlossen , da es sich im formellen Sinne um keine (echte) juristische Personen handele.
b. Desweiteren haftet eine Gesellschaft, welche eine zweite Gesellschaft übernommen hat, nicht für durch diese zweite Gesellschaft vor Übernahme begangene Straftaten. An dieser Stelle wird der rein formelle Ansatz durch den allgemeinen Grundsatz durchbrochen, dass jeder nur für sein selbst begangenen Taten verantwortlich ist.
Wie im konkreten Einzelfall zu entscheiden ist, kann demnach nur prognostisch beurteilt werden. In jedem Fall macht es Sinn, vor der Entfaltung einer Geschäftstätigkeit in Frankreich auch die wesentlichen wirtschaftsstrafrechtlichen Erwägungen zu berücksichtigen, da die Grenzüberschreitungen von der legalen wirtschaftlichen Tätigkeit zur strafbaren Handlung immer subtilerer Natur sind. Ein Wirtschaftsanwalt, der sich infolge starker Spezialisierung lediglich auf die zivilrechtliche Beratung und davon vielleicht lediglich auf einen Teilbereich beschränkt, kann für den frankreichinteressierten Unternehmer ein großes Risiko darstellen. Denn die perfekte Ausarbeitung weniger Spezialfragen wird weder den unternehmerischen Bedürfnissen gerecht werden, noch das Risiko strafrechtlicher Verfolgung minimieren können.
Autor: NH BAYER
(vom 02.08.2003)
(Rechtsanwalt und Avocat à la Cour, Deutschland-Frankreich) vom 02.08.2003 Die strafrechtliche Haftung juristischer Personen in Frankreich kann auch für deutsche Unternehmer von Relevanz sein. Und dies, ohne dass sie je persönlich strafrechtlich in Erscheinung treten. Denn das französische Strafrecht kann an dieser wie an anderen Stellen grenzüberschreitende Wirkung auch für Nichtfranzosen entfalten.
I. Der Grundsatz strafrechtlicher Haftung juristischer Personen in Frankreich
Das Prinzip der strafrechtlichen Haftung juristischer Personen in Frankreich stellt eine wesentliche Besonderheit zur althergebrachten deutschen Strafrechtsauffassung dar, die strafrechtliche Haftung sei immer und ausschließlich an natürlichen Personen, das heißt, Individuen anzuknüpfen.
Auch das französische Strafgesetzbuch aus dem Jahre 1810 ging zunächst vom Prinzip der " Persönlichkeit der Strafen" und der strafrechtlichen Haftungsunfähigkeit juristischer Personen aus.
Der zivil- und handelsrechtlichen Entwicklung, insbesondere der Tatsache folgend, dass am Geschäfts- und Rechtsverkehr immer mehr juristische Personen teilgenommen haben, fand schließlich durch den französischen Gesetzgeber auch im Bereich des Strafrechts ein grundsätzliches Umdenken statt. Entgegen der in Deutschland weiterhin vertretenen Auffassung, der Einführung einer Haftung juristischer Personen bedürfe es nicht, die persönliche Haftung der Agierenden sei hinreichend, entschied man sich vor einigen Jahren jenseits des Rheines, im Zuge der Reform des Strafrechtes im neuen Strafgesetzbuch "Nouveau Code Pénal", gerade jene Haftung juristischer Person einzuführen. Denn in Frankreich kam man zu dem Ergebnis, eine bloße Haftung einzelner (natürlicher) Personen werde der besonderen Interessenlage juristischer Personen nicht gerecht und führe zu Strafbarkeitslücken.
Die Einführung der Haftung juristischer Personen im französischen Strafrecht stellt die wesentliche Innovation der vor wenigen Jahren durchgeführten Strafrechtsreform dar.
Der Nouveau Code Pénal postuliert dieses allgemeine Prinzip unter Art. 121 - 1:
Die individuelle Haftung natürlicher Personen bleibt hiervon unberührt.
II. Ausdehnung und Grenzen strafrechtlicher Haftung juristischer Personen in Frankreich:
1. Zum Anwendungsbereich der Haftung auf juristische Personen des Öffentlichen wie des Zivilrechts
Die strafrechtliche Haftung juristischer Personen erfasst sowohl jene des Zivil- als auch des Öffentlichen Rechts, wie etwa öffentliche Anstalten und Kommunen.
2. Denkbare Haftung eines Deutschen (über eine E.W.I.V.) für eine durch einen Franzosen begangene Straftat im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten für die gemeinsame Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung.
Auch G.I.E., also wirtschfatliche Interessenvereinigungen fallen unter den Anwendungsbereich des Artikel 121 - 1 des Code Pénal, was unter anderem für die vielen neu gegründeten anwaltlichen Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigungen (E.W.I.V. oder G.I.E.E.) von Relevanz ist, die zumindest einen Sitz in Frankreich aufweisen. Solches wird allermeistens der Fall sein. Auf diesem Wege werden daher auch Deutsche für mögliche Taten, die ihre französischen Kollegen in Frankreich begehen, zur Rechenschaft gezogen werden, wenn auch nicht persönlich, sondern über die E.W.I.V.. Denn die Sanktionen, welche gegen die E.W.I.V. ausgesprochen werden, haben de facto erhebliche Auswirkungen auf die Mitglieder der E.W.I.V.. Hier seien nicht nur finanzielle Lasten erwähnt, sondern auch die Auflösung der EWIV und, was insbesondere Rechtswanwälte interessieren wird, sogar ein Berufsverbot.
Es ist demnach festzuhalten, dass die Einführung des Haftungssprinzips juristischer Personen in Frankreich auch für Deutsche von grundlegender Bedeutung sein muss. Für die Praxis bedeutet dies, dass etwa deutsche Unternehmer gut beraten sind, bei bi- und internationalen Geschäftstätigkeiten Berater aufzusuchen, die sich in beiden Rechtsordnungen auskennen, innerhalb deren räumlichen Geltungsbereichs geschäftliche Tätigkeit entfaltet wird. Denn andernfalls wird es einem deutschen Mitglied einer E.W.I.V. oder der zukünftigen europäischen Aktiengesellschaft nicht möglich sein, beurteilen zu können, ob dasjenige Geschäft, welches im Inland unproblematisch erscheint, im Ausland nicht doch unter Strafe gestellt ist. Gesunder Menschenverstand reicht hier schon längst nicht mehr als alleiniges Kriterium aus. Und der Hinweis, persönlich keine strafbare Handlung begangen zu haben, wird den französischen Strafrichter unbeeindruckt lassen.
3. Die Haftung juristischer Personen ist auf bestimmte Strafen in seiner Rechtsfolge beschränkt.
a. Für Verbrechen und Delikte sieht der Code Pénal (Art. 131-39 C.Pén.) etwa die folgenden Strafen vor:
- Verfügung gerichtsseitiger Überwachung
- Beschlagnahme
- Urteilsveröffentlichung (etwa in großen Tageszeitungen) auf Kosten des Verurteilten
- Auflösung der juristischen Person
- Berufsverbot Ausn.: Amt aufgrund von Wahlen, Ämter in Gewerkschaften, Pressetätigkeit, Minderjährige)
- Schließung der Niederlassung
- Ausschluss aus Vergabeverfahren
- Verbot der Nutzung von Schecks und Kreditkarten
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass Auflösung und Verfügung gerichtsseitiger Überwachung im Bereich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts keine Anwendung finden. Ebenfalls unanwendbar sind diese Sanktion auf Parteien und sonstige politischen Gruppierungen sowie Gewerkschaften. Auch die Auflösung einer Arbeitnehmervertretung ist untersagt.
b. Den Bereich der Contraventions regelt Artikel 131-40 i.V.m. Artikel 131-42 C. Pén..
Wir verzichten aus Platzgründen auf die Darstellung des kompletten Strafkatalogs und empfehlen insoweit die Konsultierung eines auch im französischen Recht rechtskundigen Rechtsanwalts.
Erwähnenswert ist die Tatsache, dass die Veröffentlichung des Strafurteils in Zeitungen als Strafe in diesem Bereich nicht zulässig ist.
2. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung weitere Ausnahmen zur strafrechtlichen Haftung juristischer Personen anerkannt (Beispiele):
a. So werden etwa rein faktische Gesellschaften von der Haftung ausgeschlossen , da es sich im formellen Sinne um keine (echte) juristische Personen handele.
b. Desweiteren haftet eine Gesellschaft, welche eine zweite Gesellschaft übernommen hat, nicht für durch diese zweite Gesellschaft vor Übernahme begangene Straftaten. An dieser Stelle wird der rein formelle Ansatz durch den allgemeinen Grundsatz durchbrochen, dass jeder nur für sein selbst begangenen Taten verantwortlich ist.
Wie im konkreten Einzelfall zu entscheiden ist, kann demnach nur prognostisch beurteilt werden. In jedem Fall macht es Sinn, vor der Entfaltung einer Geschäftstätigkeit in Frankreich auch die wesentlichen wirtschaftsstrafrechtlichen Erwägungen zu berücksichtigen, da die Grenzüberschreitungen von der legalen wirtschaftlichen Tätigkeit zur strafbaren Handlung immer subtilerer Natur sind. Ein Wirtschaftsanwalt, der sich infolge starker Spezialisierung lediglich auf die zivilrechtliche Beratung und davon vielleicht lediglich auf einen Teilbereich beschränkt, kann für den frankreichinteressierten Unternehmer ein großes Risiko darstellen. Denn die perfekte Ausarbeitung weniger Spezialfragen wird weder den unternehmerischen Bedürfnissen gerecht werden, noch das Risiko strafrechtlicher Verfolgung minimieren können.
Autor: NH BAYER
(vom 02.08.2003)