Zwangsvollstreckung und Schuldnerschutz in Frankreich von Herrn Matthias Hamai, Sciences Po - Student Nancy deutsch - französische Abteilung Recht
DER SCHUTZ DES SCHULDNERS IN FRANKREICH
Zum Schutz des Schuldners werden im Folgenden zwei Bereiche unterschieden: das Eintreiben
von Geld durch Inkassounternehmen und die Vollstreckung, bzw. Zwangsvollstreckung, von Urteilen.
1) EINTREIBEN VON GELD DURCH INKASSOUNTERNEHMEN
Wie in Deutschland, gibt es auch in Frankreich die Möglichkeit zu versuchen Ungezahltes außergerichtlich, durch Inkassounternehmen (cabinet de recouvrement), einzutreiben. Dabei steht den Inkassounternehmen klassisch drei Möglichkeiten zur Verfügung: ein oder mehrere Briefe, ein oder mehrere Telefonate und persönliche Gespräche.
Hierbei sind folgende Grenzen zu betrachten:
– Jedwege Drohung, die die Person des Schuldners oder seine Güter betrifft, sind, außer es ist die Androhung rechtlicher Konsequenzen, unzulässig (z.B: Drohung dem Schuldner physischen Schaden zuzufügen wenn er nicht zahlt). Dies ist eine Drohung mit Befehl eine Bedingung zu erfüllen, die nach Artikel 222-18 des Code Pénal (Strafgesetzbuch) verboten ist und zu drei Jahren
Haft und einer Strafe von 45 000 Euro führt.
– Die Eintreibung von Geld durch Inkassounternehmen darf sich nicht in eine Belästigung des Schuldners verwandeln. Der Gläubiger, der seinen Schuldner, ununterbrochen belästigt handelt fehlerhaft und setzt sich eventuellen Schadenersatzklagen, wenn ein Schaden entstanden ist, aus.1
– Aus diesem Grunde, ist im Dekret 96-1112 vom 18. Dezember 1996 festgelegt, wie ein solcher Brief auszusehen habe, bzw. was er beinhalten muss (Artikel 4 des Dekrets 96-1112 vom 18. Dezember 1996).
– Inkassounternehmen haben kein Recht, ohne die Erlaubnis des Schuldners, in seinen Wohnort einzudringen. Dies ist ein Hausfriedensbruch, der durch den Artikel 226-4 des Code Pénal verboten ist.
– Die Kosten der Eintreibung können teilweise dem Gläubiger auferlegt werden. Dies ist der Fall wenn der Gläubiger dem Vollstreckungsrichter beweisen kann, dass das Einsetzen eines Inkassounternehmen unabdingbar war um an seine Geldforderung zu kommen und der Schuldner unehrlich und/oder unaufrichtig war. (Artikel 32 des Gesetzes 91-650 vom 9. Juli 1991). Die Frage
der Definition des Begriffs der Unerhlichkeit bzw. Unaufrichtigkeit des Schuldners in diesem Falle
1 http://www.legifrance.gouv.fr/affichJuriJudi.do?oldAction=rechExpJuriJudi&idTexte=JURITEXT000007417895&fast
ReqId=251453709&fastPos=7
wurde von der Rechtssprechung noch nicht definitiv festgelegt.
– Die Kosten der Eintreibung die ohne Vollstreckungstitel betrieben worden sind werden vom Gläubiger getragen. Jede Klausel, die etwas anderes festlegen würde ist nichtig. (Artikel 33 des Gesetzes 91-650 vom 9. Juli 1991). So kann beispielsweise in der schriftlichen Zahlungsaufforderung das Honorar des Inkassounternehmens NICHT aufgeführt werden.
2) VOLLSTRECKUNG, BZW. ZWANGSVOLLSTRECKUNG, VON URTEILEN
Auch im Falle einer Vollstreckung, bzw. Zwangsvollstreckung, die in Folge eines
rechtskräftigen Urteils erfolgt, ist nicht alles erlaubt. Maßgeblich hierfür sind das Gesetz 91-650 vom 9. Juli 1991, welche die Regeln zur Vollstreckung in der Zivilprozessordnung (Procédures Civiles d'exécution) reformiert, sowie das Dekret 92-755 vom 31. Juli 1992, welches die Regeln des Gesetzes
präzisiert. Die Regeln des Gesetzes und des Dekrets wurden teilweise kodifiziert, und unter anderem im Code de l'organisation judiciaire oder im Code du travail integriert. Zu beachten ist, dass: – Es gibt in Frankreich einen so genannten „Richter der Vollstreckung“. Dies ist der Präsident des
Tribunal de grande instance (art. L213-5 Code de l'Organisation Judiciaire [hiernach: COJ]). Jedwege Beanstandung eines Vollstreckungstitels, einer Zwangsvollstreckung oder von ihm erlaubten Pfändung von Immobilien wird vom Richter der Vollstreckung beurteilt. Bei ihm einzureichen sind ebenfalls alle Schadenersatzklagen, die wegen der Durchführung oder der Nicht-
Durchführung der Zwangsvollstreckung entstehen. Er erlaubt auch die eventuellen Sicherungsmaßnahmen (art. L213-6 COJ). Gegen die Entscheidungen des Richters der Vollstreckung kann Berufung eingelegt werden (art. 28 des Dekrets 92-755 vom 31. Juli 1992).
– Grundsätzlich können alle Gegenstände, dessen Eigentümer der Schuldner ist, und auch wenn ein Dritter sie zur Zeit der Pfändung besitzt, gepfändet werden (art. 13 des Gesetzes 91-650 vom 9. Juli 1991). Artikel 14 des gleichen Gesetzes definiert die Ausnahmen, so wie beispielsweise solche die das Gesetz als nicht pfändbar erklärt hat (siehe nächsten Punkte), Vorschüsse auf oder Zahlung des Unterhalts, die Gegenstände die geerbt oder geschenkt wurden und als nicht pfändbar erklärt wurden, die beweglichen Sachen, die der Schuldner oder seine
Familie zum Arbeiten und zum Leben brauchen (siehe nächsten Punkte), sowie alle Sachen, die ein kranker oder behinderter Mensch zum Leben gebrauchen könnte.
– Vollstreckungsmaßnahmen dürfen nicht an Sonntagen und Feiertagen durchgeführt werden, sowie vor 6h00 und nach 20h00 (Artikel 28 des Gesetzes 91-650 vom 9. Juli 1991).
– Die Pfändung und der Verkauf eines Ortes, in dem der Schuldner wohnt ist nicht erlaubt, wenn es sich um eine Summe handelt die kleiner ist als 535 €. In diesem Fall, muss das Konto des Schuldners gepfändet werden (Artikel 51 des Gesetzes 91-650 vom 9. Juli 1991). Ein Gebäude, das zum Wohnen dient, darf nicht zwangsgeräumt werden, wenn es hierzu keine richterliche Entscheidung gibt (Artikel 61 des Gesetzes 91-650 vom 9. Juli 1991). Zudem gibt es
spezielle Fälle, die beispielweise im Code de l'habitation et de la construction aufgezählt sind (in den Artikeln L613-1 bis L615-5), die eine Zwangsräumung erlauben, wenn diese mindestens zwei Monate im vorraus angekündigt worden sein (Artikel 62 des Gesetzes 91-650 vom 9. Juli 1991).
Ausgeschlossen sind hierbei besonders zu schützende Kategorien, wie Studenten oder Personen die schwer unter einer solchen Zwangsräumung leiden würden (u.a. wegen der schweren klimatischen Bedingungen der Saison usw.).
– Folgende beweglichen Objekte können im Zuge der Zwangsvollstreckung nicht gepfändet werden, da sie nötig zum Leben und zur Arbeit des Schuldners und seiner Familie ist: Klamotten ; Bettwäsche ; Haushaltswäsche ; Alle Objekte die zur Sauberkeit des Körpers und des Wohnortes beitragen; Esswaren ; Alle Haushaltsobjekte die zur Aufbewahrung, Vorbereitung und Genuss von
Esswaren nötig sind; Zum Heizen nötige Objekte; Ein Tisch und Stühle um gemeinsam essen zu können; Ein Möbel um Klamotten aufzubewahren und ein Möbel um Haushaltsobjekte zu bewahren; Eine Waschmaschine ; Bücher und andere Objekte die für ein Studium oder eine berufliche Ausbildung notwewndig sind; Objekte für Kinder; Persönliche oder familiäre Erinnerungsstücke; Haustiere; Tiere die dem Lebensunterhalt des Schuldners dienen, sowie die Waren die zu deren Züchtung nötig sind; Arbeitssachen, die zur Ausübung einer beruflichen
Aktivität nötig sind; Ein Telefon, das den Zugang zum Festnetz ermöglicht (Artikel 39 des Dekrets 92-755 vom 31. Juli 1992).
– Allerdings können diese Objekte gepfändet werden, wenn dies zur Bezahlung IHRES Preises nötig ist. Dies ist NICHT der Fall für alle Objekte von kranken bzw. Menschen mit Behinderung (Artikel 41 und 42 des Dekrets 92-755 vom 31. Juli 1992).
– Wenn der Schuldner aus unpfändbaren Gegenständen ein Einkommen bezieht, so überträgt sich diese Unpfändbarkeit auf dieses Einkommen (Artikel 44 des Dekrets 92-755 vom 31. Juli 1992).
– Zudem gibt es seit 2002 einen Schutz für Schuldner, der allerdings nur physische und nicht juristische Personen betrifft. Mit dem Dekret 2002-1150 vom 11. September 2002 wurde der Artikel 46 des Dekrets 92-755 vom 31. Juli 1992 reformiert, mit dem der Solde Bancaire insaissiable (unpfändbares Saldo) [hiernach SBI] erfunden wurde. Das SBI sieht vor, dass ein Schuldner, dessen Konto gepfändet wird, verlangen kann, dass die Bank ihm mit sofortiger
Wirkung eine pauschale Summe zur Verfügung stellt, welche der Höhe der pauschalen Summe, die einem Haushalt mit einer Person und ohne Kinder, im Rahmen des Revenu de Solidarité Active [hiernach RSA] enspricht. Im Jahr 2009 beträgt diese Summe 454,63€2.
Allerdings muss der SBI beantragt werden, und wenn dies der Schuldner nicht tut, dann wird ihm der oben genannte Betrag durch seine Bank nicht zur Verfügung gestellt werden. Von dieser Summe abzuziehen ist ebenso jede Summe, die sich auf dem Konto befindet, nicht gepfändet ist, und unterhalb der 454, 63 Euro liegt.
– Artikel L3252-7 des Code du travail verbietet die Beschlagnahmung als Sicherungsmaßnahme des Einkommens des Schuldners, dass jedoch in Teilen, direkt beim Arbeitnehmer gepfändet werden kann (wenn dem Schuldner den oben genannten Pauschalbetrag des RSA weiterhin zur Verfügung steht) (Artikel 3252 des Code du travail).
2 http://rsa-revenu-de-solidarite-active.com/montant-rsa/17-montant-rsa-2009.html
von Herrn Matthias Hamai, Sciences Po - Student Nancy deutsch - französische Abteilung Recht, (vom 18.2.2010)